„Die Stimmung in der Wirtschaft normalisiert sich“

Mittwoch, 08. Februar 2023

Marktkommentar

„Die Stimmung in der Wirtschaft normalisiert sich“


Die Erwartungen deutscher Unternehmer hellen sich etwas auf, das belegt auch der jüngste Anstieg des ifo-Geschäftsklimaindex. Prof. Dr. Dr. Clemens Fuest, ifo-Präsident, sah zwar „Licht am Ende des Tunnels“, betonte aber auf der Amundi Outlook Investment Konferenz die vielfältigen Herausforderungen für die Wirtschaft. Inflation, hohe Leitzinsen, gestiegene Energiepreise und Lieferkettenprobleme lasteten auf der Konjunktur. Dennoch geben die Zahlen des ifo-Instituts auch Anlass zur Hoffnung.

 

Prof. Fuest, wie steht es um die deutsche Wirtschaft?

Das lässt sich so pauschal schwer beantworten. Wir sehen allerdings bei unseren Befragungen zum ifo-Geschäftsklima, dass es im letzten Quartal 2022 eine Art Kehrtwende bei den Erwartungen der befragten Unternehmer gegeben hat. Seit – wegen der vollen Gasspeicher und des milden Winters – das Thema Energie-Rationierung vom Tisch ist, sind viele Unternehmer wieder weniger pessimistisch und auch der ifo-Geschäftsklimaindex steigt an. Zudem zeigen unsere Zahlen, dass die Stimmung für eine Zeit deutlich schlechter war, als die Lage. Denn die Geschäftslage wurde von den rund 9.000 Unternehmen, die wir regelmäßig befragen, seit Beginn des Ukraine-Kriegs deutlich besser bewertet, als die künftigen Geschäftserwartungen. Beide Kurven finden aktuell wieder näher zusammen, das heißt mehr Zuversicht und damit ein positiveres Szenario hat sich nun durchgesetzt. Unsere Konjunkturprognose zum BIP-Wachstum für 2023 liegt für Deutschland bei -0,1%, die der Bundesregierung mittlerweile bei +0,2%. Zumindest eine schwerere Rezession, die so mancher befürchtet hatte, scheint für den Moment abgewendet. Doch die Belastungen wie die deutliche Inflation, hohe Energiepreise, der Ukraine-Krieg und teilweise auch noch die Lieferkettenproblematik bleiben leider.

Die Inflation ist jüngst wieder etwas gefallen, welche Entwicklung erwarten Sie?

Wir gehen davon aus, dass wir den Höhepunkt bei der allgemeinen Inflation erreicht haben. Allerdings steigt die Kerninflation momentan weiter. Das spiegelt sich in unseren ifo-Preiserwartungen. Auch wenn die absolute Zahl der Unternehmen zurückgeht, die weitere Preiserhöhungen einplanen, bleibt der Anteil historisch sehr hoch. Denn mittelfristig hält der Inflationsdruck an: Demographischer Wandel, Friktionen im Außenhandel, Dekarbonisierung und die Verknappung des Energieangebots halten den Kostendruck hoch.

Die Wiedereröffnung Chinas nach dem strengen Corona-Shutdown hat zu einer gewissen Entspannung des Lieferkettenproblems geführt, hilft das den Unternehmen bereits?

Das stimmt zwar teilweise, doch unsere Befragungen zeigen, dass viele Unternehmen hier weiterhin große Herausforderung sehen. Nach bis zu 80% im Jahre 2022 bereiten die global gestörten Handelsströme aktuell immer noch knapp 50% der Unternehmen Sorge. Zum einordnenden Vergleich: 10% besorgte Unternehmen gelten hier als „normal“, das historische Hoch lag zuvor bei 20%. Das zeigt, Unsicherheiten und Unwägbarkeiten begleiten unsere Unternehmen auch 2023. Hinzu kommt, dass die hohen Zinsen die Kapitalversorgung der Unternehmen einschränken – rund ein Drittel der Unternehmen, die Kredite aufnehmen wollen, tut sich aktuell schwer, die Kredite auch zu bekommen. Das dürfte sich natürlich kurz- und mittelfristig entsprechend auf die Gewinne auswirken.

Welche Rolle spielen die aktuell hohen Energiepreise für die deutsche Wirtschaft?

Natürlich spielen Energiekosten eine Schlüsselrolle. Wenn Sie Investoren überzeugen wollen, sich in Deutschland zu engagieren, dann muss Energie sowohl bezahl- als auch planbar sein. Günstiges Gas sollte ja eine Brückenfunktion bei der Energiewende, weg von den fossilen Rohstoffen hin zu Erneuerbaren Energien, spielen. Der Wegfall des russischen Gases, aber auch die Abschaltung der deutschen AKWs haben zu einer Energieknappheit geführt, der wir entschieden begegnen müssen – unter anderem mit einer breiten Diversifizierung der Energieversorgung, Technologieoffenheit und offenen Strommärkten. Subventionsprogramme bergen hingegen immer die Gefahr von Fehlanreizen und könnten so sogar zu einer Verzögerung des nötigen Strukturwandels im Energiesektor führen.

Die USA haben jüngst mit dem US-Inflation Reduction Act enorme Subventionsgelder für die heimische Wirtschaft und die avisierte Energiewende bereitgestellt. Wie sollte die EU reagieren?

Man könnte ja sagen, die USA setzen nun auf die Methode „Zuckerbrot“, die EU stärker auf das Prinzip „Peitsche“. Das US-Programm beinhaltet viele protektionistische Maßnahmen. Deshalb ist es richtig, dass sich die EU wehrt, weil sonst viel Kapital und zahlreiche Unternehmen abwandern könnten, um von den enormen Finanzmitteln in den USA zu profitieren. Allerdings wäre ich vorsichtig mit einem Wettlauf der Subventionen, der sich mit der Lockerung der EU-Subventionskontrolle andeutet. Vielmehr sollte die EU auf Verhandlungen setzen, die Entwicklung eigener umweltfreundlicher Industrien und grüner Infrastruktur vorantreiben sowie auf neue Freihandelsabkommen statt Protektionismus setzen. Die EU muss aktiv etwas tun, um als Standort für die Industrie attraktiv zu bleiben – auch eine Vertiefung des Binnenmarktes würde uns hier interessanter machen.
 
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