Aktienmärkte setzen weiter auf Zinssenkungen

Donnerstag, 07. März 2024

Marktkommentar

Aktienmärkte setzen weiter auf Zinssenkungen


Die konjunkturellen Aussichten trüben sich ein, doch an den Börsen herrscht gute Stimmung. Welche Gründe das haben könnte und weshalb die Erwartungen an die Notenbanken dabei eine besondere Rolle spielen dürften, erläutert Thomas Kruse, CIO von Amundi Deutschland, im Interview.

    
  

     

Herr Kruse, gerade in Deutschland fallen die deutlich unterschiedlichen Entwicklungen der Wirtschaft und an den Börsen auf. Hier schwache Zahlen, dort Rekordstände. Wie sollten die Notenbanken auf so ein Szenario reagieren?

Gut möglich, dass die EZB anders reagieren muss, als die US-Notenbank. Beide sind zuerst einmal darauf ausgerichtet, dass die Inflation wieder Richtung der Zielmarke um die zwei Prozent zurückkommt. Das sehen wir momentan auch, allerdings etwas langsamer als noch im vierten Quartal 2023. Dann blicken die Notenbanken natürlich auf die Konjunktur. Und da haben wir in Europa, insbesondere in Deutschland, eine deutliche Schwäche. Für den Fall, dass diese Phase weiter anhält und zugleich die Inflation rückläufig bleibt, dürfte die EZB bereits ab Juni die Zinsen senken. In den USA ist die Konjunktur noch weiterhin robust. Wir rechnen zwar ab dem Sommer mit einer schrittweisen Absenkung der US-Leitzinsen. Sollte die Stärke der Konjunktur allerdings weiter anhalten, wäre anders als in Europa auch eine Verschiebung in die zweite Jahreshälfte denkbar. 

Welchen Einfluss könnten denn die US-Präsidentschaftswahlen auf die Notenbankpolitik haben?

Wir denken, das hat durchaus bestimmte Auswirkungen: Die Uneinigkeit im Haushalt, die wir die letzten Wochen und Monate gesehen haben, ist bereits ein Teil des Wahlkampfes. Diese teilweise Blockadepolitik ist für die Fed relevant, denn diese achtet ja insbesondere auch auf das Wachstum. Wenn nun auf der fiskalpolitischen Ebene wegen der Vorwahlen kaum Impulse gesetzt werden können, dürfte die Notenbank über ein Vorziehen der Zinssenkungen nachdenken, um das Wachstum zu unterstützen. Deshalb könnte unter diesen Umständen bereits der Frühsommer einen ersten Zinsschritt mit sich bringen.

Immer wieder wird auch über Rezessionsgefahren diskutiert. Welche Faktoren könnten diese denn erhöhen?

Wir rechnen grundsätzlich mit einer sich abschwächenden Konjunktur – trotz der noch relativ stabilen Entwicklung in den USA über den Jahreswechsel. Denn der starke Konsum lebte bislang von den relativ hohen Sparsockeln aus der Coronazeit. Diese sind allerdings nun sukzessive aufgebraucht. Zudem haben wir eine relativ hohe Bewertung an den Aktienmärkten, speziell in den USA mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von derzeit rund 21,5. Das heißt aber noch nicht zwingend, dass wir eine Korrektur bekommen. Die Krisen im Gewerbeimmobilienbereich sollten Anleger aber im Auge behalten. Deren Auswirkungen könnten durchaus zu einer Abkühlung an den Börsen führen. Wie gesagt, dürften dann die Notenbanken entsprechend mit Zinssenkungen reagieren.

Wieso haben die Börsen auf die bislang aufgeschobenen Zinssenkungen eigentlich nicht bereits mit Kursrückgängen reagiert?

Das ist eine spannende Frage. Wir denken, dass die Börsen sozusagen durch die zu erwartende Delle „hindurchschauen“, in der Erwartung, dass die Notenbanken mit Zinssenkungen eingreifen werden. Im Rentenbereich haben wir ja gesehen, dass der Markt den Rückgang der langlaufenden Zinsen von rund 3% auf zwischenzeitlich 1,9% wieder auf circa 2,5 % korrigiert hat. Eine entsprechende Reaktion blieb an den Aktienmärkten aus, wobei neben den Erwartungen an die Notenbank auch die guten Gewinne der Unternehmen eine Rolle gespielt haben mögen.

Wie sollten sich nun Fondsanleger aus Ihrer Sicht verhalten?

Aufgrund der erwarteten konjunkturellen Schwäche sind wir für Aktien neutral bis leicht untergewichtet. Dementsprechend würden wir derzeit immer noch Staatsanleihen bevorzugen. Nun jedoch auch wieder mit einer etwas längeren Duration bzw. Laufzeit – Duration ist ein Maß für die Zinssensitivität von Anleihen. In der Selektion konzentrieren wir uns momentan eher auf Qualitätstitel. Und für den Fall, dass sich die Konjunktur abschwächt, wären es die defensiven Sektoren, die zuerst profitieren dürften. Im Zuge etwaiger Zinssenkungen sollten dann auch wieder Small- und Mid-Caps – also Unternehmen mit kleiner oder mittelgroßer Marktkapitalisierung – stärker werden, die – wie man beispielsweise am M-DAX sehen kann – aktuell eher etwas hinterherlaufen. Weiterhin gilt die Devise: Breit und global investieren, dann kann man in vielen Szenarien Chancen nutzen. Denn momentan sind es beispielsweise noch die großen Unternehmen, die profitieren, bei lockerer Geldpolitik dürften wie gesagt die kleineren und mittleren Unternehmen in Schwung kommen – nicht zuletzt wegen der vergleichsweise günstigen Bewertungen.     

        

 Rechtliche Hinweise: Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 29.02.2024. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.