Die Panel-Diskussion der digitalen Amundi Investment Konferenz am 25. September stand ganz im Zeichen von Europas Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten des geopolitischen Wandels. Helen Windischbauer, Head of Multi-Asset Solutions bei Amundi Deutschland, sowie der international renommierte Ökonom Prof. Gabriel Felbermayr und Dr. Timo Blenk, Experte für Geo- und Sicherheitspolitik, beantworteten dabei live die sachkundigen Fragen der n-tv-Moderatorin Sabrina Marggraf und der knapp 1.100 Investoren, Analysten und Investmentberater. 

Frau Windischbauer, seit August erheben die USA für die meisten Waren aus der EU einen Zollsatz von 15%. Donald Trump sieht in dem Deal einen klaren Vorteil für die USA – Sie auch?

Windischbauer: Ich sehe da eher eine 50:50-Lösung. Nüchtern betrachtet sind Zölle zuerst einmal Kosten für Unternehmen beiderseits des Atlantiks – die Rechnung zahlt also auch der US-Konsument. Aus Investorensicht ist dabei interessant, welche Unternehmen aufgrund ihrer Marktstellung die Zölle auf ihre Preise übertragen können. Solche starken Player mit Marktmacht bieten nun besondere Chancen, weswegen wir solche Unternehmen gerade für unsere Portfolios identifizieren.

Herr Prof. Felbermayr, wie bewerten Sie den Zoll-Deal zwischen den USA und der EU?

Prof. Felbermayr: Man kann es so sehen: 15% sind besser als 45%. Das heißt, gegenüber manchen globalen Mitbewerbern haben wir sogar einen relativen Vorteil. Simulationsrechnungen zu allen US-Zöllen seit dem 2. April sehen für die EU sogar einen Vorteil beim BIP von 0,09%, während die USA das ihre mit -0,41% belasten. Diese für Europa erfreuliche Durchschnittsrechnung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass manche unserer Branchen durch die US-Zölle aber sehr stark belastet werden.

Nicht nur die Zoll-Thematik hat die Welt in Atem gehalten, wir sehen aktuell einen grundlegenden geopolitischen Wandel. Wie reagieren Sie in ihren Portfolios auf diese Unsicherheit?

Windischbauer: Unsicherheit bringt immer sowohl Risiken als auch Chancen. Beispielsweise dürfte die Federal Reserve angesichts bestehender Unsicherheiten die Zinsen weiter senken. Das bringt wiederum Investmentchancen. In diesem Sinne sind wir aktuell auch in unseren Portfolios „pro Risiko“, also positiv für sogenannte „Risky Assets“ wie Aktien. Dennoch bauen wir natürlich – wo möglich – auch Absicherungsstrategien ein, die sich kaum auf die Performance auswirken. Und wir legen unseren Fokus natürlich auf Branchen und Unternehmen, die von den Fiskalpaketen profitieren könnten: Etwa in den Infrastrukturbereichen Schiene, Straße und Netzausbau oder auch bei den Erneuerbaren Energien.

Werden die Fiskalpakete das schwache Wachstum in Deutschland und der EU substanziell stärken können?

Prof. Felbermayr: Wenn es für echte Investitionen verwendet wird, „Ja“. Falls es aber, wie in Deutschland nicht ausgeschlossen, erstmal in Schulden und „Sozialbudget“ fließen sollte, „Nein“. Für ein nachhaltiges Wachstum wäre ein Investment in den Industrie-Standort notwendig und somit eindeutig besser. Die Ausgaben für die Rüstung dürften hingegen eher ein Strohfeuer geben.

Dr. Blenk: Es sei denn, wir nähern uns in der EU dem US-Vorbild des konsequenten „Dual Use“ an. So schaffen es die Amerikaner immer wieder, aus militärischen Entwicklungen zivile Nutzungen abzuleiten. Die Chancen für diese Doppelverwendung steigen meiner Ansicht nach, da in jüngster Zeit militärische und zivile Themen oder auch innen- und außenpolitische Themen immer mehr verschmelzen. Das kann helfen, dass sich solche Verteidigungsinvestments lohnen und breitere Wachstumsimpulse setzen.

Windischbauer: Ich denke auch, dass die Bereiche Rüstung und Verteidigung eine nachhaltigere Rolle für das Wachstum spielen könnten, wenn sie beispielsweise die in der Automobilbranche freiwerdenden Fachkräfte und Ressourcen aufnehmen könnten. In unseren Gesprächen mit den Unternehmen dieser Branchen stellen wir nun erfreulicherweise immer wieder fest, dass das bereits recht gut funktioniert.

Die Frage an Sie alle: Wo sehen Sie perspektivisch Chancen für Europa im globalen Wettbewerb?

Windischbauer: Die Stärkung des EU-Binnenmarktes könnte international ein ganz besonderer Vorteil sein. Auch unsere deutschen, sogenannten „Hidden Champions“ – Weltmarktführer aus dem Mittelstand – sind ein sehr attraktives Segment mit viel Innovations- und Wirtschaftskraft. Ich sehe aber auch eher weiche Faktoren, wie unser Demokratieverständnis innerhalb der EU-Familie, als wichtige Grundlage für künftigen Wohlstand.

Prof. Felbermayr: In der Tat, der EU-Binnenmarkt ist noch nicht komplett ausgeschöpft und ein echter Trumpf im globalen Handel. Wir haben zudem eine industrielle Basis, die international wettbewerbsfähig ist. Und, Umfragen belegen: Europa ist weltweit attraktiv für Talente – die wenigsten wollen nach China, Indien oder Russland. Diesen Standortvorteil sollte man aktiv mit entsprechenden Initiativen nutzen.

Dr. Blenk: Global zählt Größe, deshalb haben wir zur Vertiefung des Binnenmarktes keine Alternative. Unsere Heterogenität, die Mischung aus kleinen, mittleren und großen Ländern und Unternehmen macht uns wirtschaftlich und kulturell stark. Deshalb glaube ich auch, dass unsere Resilienz sowie die vergleichsweise hohe Sicherheit innerhalb der EU künftig ein entscheidender Erfolgsfaktor sein werden.

Frau Windischbauer, halten Sie die europäischen Aktienmärkte aktuell für attraktiv?

Windischbauer: Natürlich, zumal viele europäische Unternehmenstitel derzeit deutlich unterbewertet sind, was mittelfristig Chancen für Anleger eröffnen kann. Wir erwarten beispielsweise, dass gerade viele Mid-Caps von den Fiskalpaketen profitieren dürften. Aber auch für europäische Finanzwerte sind wir positiv, nicht zuletzt, weil die Leitzinsen tendenziell sinken, und das die Kreditkonditionen für Unternehmen verbessert. Wie bereits erwähnt haben auch die Bereiche Infrastruktur und Verteidigung gute Aussichten, vor allem in Deutschland. In ein breit gemischtes Portfolio gehören allerdings trotz der bereits hohen Bewertungen natürlich auch selektiv US-Titel. Ja wir sind hier vorsichtig, aber die US-Dominanz – beispielsweise bei KI – kann man auch nicht ignorieren und die Chancen, die sich aus Effizienzsteigerungen ergeben, ganz liegen lassen. Immerhin stehen die Gewinnerwartungen der US-Tech-Unternehmen noch bei rund 30%. Aber auch Beimischungen von Schwellenländern wie Indien, das strukturell gute Wachstumsaussichten hat und von Umlenkungseffekten hinsichtlich China profitiert, könnten derzeit Sinn ergeben.    

Hinweis: Für die nächste Amundi Outlook Investment Konferenz am 21.01.2026 mit spannenden Gästen können Sie sich gerne unter www.amundi-events.de anmelden.

Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 25.09.2025. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.

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