Die Diskussionsrunde auf der Frühjahrsausgabe der Amundi Investment Konferenz war – wie immer – hochkarätig besetzt: Helen Windischbauer, Leiterin Multi Asset Solutions bei Amundi Deutschland und Deepa Gautam-Nigge, Vice President Corporate Development & Investments bei SAP, erörterten zusammen mit dem Außenhandelsökonom Dr. Martin Braml, welchen Herausforderungen sich Deutschlands als Wirtschaftsstandort stellen sollte. Und wie Kapitalanleger auf das aktuelle Umfeld reagieren könnten.

In einer Umfrage hier auf der Amundi Investment Konferenz nannten 93% aller Teilnehmer das Thema Bürokratieabbau als besonders wichtig für unsere Unternehmen, gefolgt von der Senkung der Energiepreise mit 65%. Frau Windischbauer, bestätigt das Ihre Erfahrungen in der Praxis?

Windischbauer: In der Tat hören wir das bei unseren Gesprächen mit den Unternehmen, in die wir in unseren Portfolios investieren, immer wieder. Gerade im Vergleich mit den USA haben wir hier einen Wettbewerbsnachteil, der konsequent angegangen werden müsste. Leider sind diese Themen aber bereits „Klassiker“, doch wir sehen nun erste Ansätze auf EU-Ebene und auch bei der Agenda der neuen Bundesregierung.

Dr. Braml: Erleichterungen für Unternehmen sind ein wichtiger Punkt. Doch entscheidend bleiben die Details, etwa hinsichtlich der Energiepreise ist die Frage, ob man sie nur durch Subventionen scheinbar senkt, oder ob man die Systemkosten in Europa mit tragfähigen Lösungen reduziert. Sonst sehe ich hier kaum einen Hebel für Wachstum. Man muss auch realistisch bleiben: Ein Niedrigenergieland werden wir wahrscheinlich nicht. Wir sollten uns eher darauf fokussieren, was unsere Stärken in Deutschland und Europa sind.

Welche wären das?

Dr. Braml: Wir haben eine sehr erfolgreiche und innovative mittelständische Industrie, die wir auf neue Wachstumsfelder führen könnten. Ich finde die erhöhten Rüstungsausgaben in diesem Zusammenhang einen positiven Impuls, da wir hierzulande vielversprechende Firmen in den Bereichen Drohen, Luft- und Raumfahrt haben, aus deren militärischen Entwicklungen beispielsweise zivile „Spill-Overs“ entstehen könnten. So wie in den USA die zivile Atomkraft, die Raumfahrt oder zivile GPS-Anwendungen aus Militärprojekten entstanden sind. Im Gegensatz zu den aus geopolitischen Gründen notwendigen Rüstungsausgaben könnten uns diese Spill-Overs als Volkswirtschaft reicher machen und mehr Wohlstand generieren. 

Wie schätzen Sie die Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen ein, Frau Gautam-Nigge?

Gautam-Nigge: Die hohe Zahl an Patentanmeldungen zeigt, dass wir hier durchaus Stärken haben, auch wenn es an der konkreten Umsetzung in Produkte und Absatzmärkte manchmal etwas hapert. Allerdings sollten wir unsere Einstellungen und Narrative überdenken. Ein Beispiel ist der kürzlich geglückte Erststart einer bayerischen Rakete in Norwegen. Die Presse titelte „Rakete nach 30 Sekunden abgestürzt“ und übersah dabei völlig den Erfolg der Mission.

Wie wichtig ist für Sie als Portfoliomanagerin das Thema Innovation?

Windischbauer: Das hängt von der konkreten Aufgabenstellung ab. Für ein Portfolio von Dividendentiteln spielt die Kategorie eine untergeordnete Rolle, bei einem Technologie- oder Pharmafonds hat sie eine hohe Priorität. Denn hier ist Innovation ein wichtiger Faktor für eine tragfähige Wachstumsstrategie.

Worauf achten Sie aktuell bei der Titelauswahl besonders?

Windischbauer: Wir sehen derzeit ausgeprägt politische Börsen. Ein kaum vorhersehbares Umfeld. Deshalb positionieren wir uns sehr taktisch, wir „atmen“ sozusagen mit den Märkten. Wenn sich Gelegenheiten bieten, nehmen wir selektiv auch wieder Risiken ins Portfolio. Was man als Anleger aber derzeit generell beachten sollte, ist die breite Diversifikation. Man könnte die volle Bandbreite an Assetklassen nutzen und auch innerhalb der Assetklassen auf Wetterfestigkeit achten. Und wie gesagt sollte man die Bereitschaft haben, abhängig von der Lage, Risiken neu einzugehen oder auch im Portfolio zu reduzieren. Wichtig ist, die Märkte genau zu beobachten.

Wie häufig sollten private Anleger Ihr Portfolio auf diese Art checken?

Windischbauer: Wir Profis machen das nicht ohne Grund täglich. Für Private gilt aus meiner Sicht, dass sie spätestens alle paar Monate prüfen sollten, ob die grundlegende Strategie so noch passt. Derzeit könnte man beispielsweise generell defensive Titel bevorzugen und gezielt Unternehmen und Regionen suchen, die wenig vom Handels- und Zollkonflikt betroffen sind. Ich bin der Meinung, es ist noch zu früh für viel Risiko.

Wie kommt Deutschland wieder auf einen Wachstumskurs?

Gautam-Nigge: Wir müssen auch hinsichtlich unserer Stärken diversifizieren und Innovationen konsequent adaptieren um eigene, neue Geschäftsfelder voranbringen. Ich wünsche mir hierzulande mehr Mut, die Welle zu reiten und insgesamt spielerischer an die großen Herausforderungen heranzugehen. Dann winken auch die so wichtigen Effizienzgewinne.

Dr. Braml: Wir müssen uns auf die strukturellen Herausforderungen konzentrieren und die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessern. Mit Blick auf das Fiskalpaket bin ich der Meinung, dass mehr Geld allein das System nicht zwangsläufig besser macht. Wir brauchen beispielsweise echte, schnelle Verbesserungen, beim Beschaffungswesen oder langwierigen Projektplanungen für Infrastruktur. Dann kommen unsere Stärken wieder mehr zur Geltung.

Welche speziellen Wünsche haben Sie an den neuen Bundeskanzler Friedrich Merz?

Dr. Braml: Schließen Sie ein Handelsabkommen mit Indien…

Windischbauer: …behalten Sie das Problembewusstsein für die Wirtschaft bei…

Gautam-Nigge: … setzen Sie Fokusthemen auf eine nationale Innovationsagenda und erleichtern Sie für diese die Rahmenbedingungen zur Innovationsfinanzierung!

Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 30.04.2025. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.