Die Marktbewegungen während des Sommers haben uns wieder einmal gezeigt, dass in einer Zeit hoher Bewertungen jede Diskrepanz bei Unternehmensgewinnen oder geldpolitischen Erwartungen und jegliche Befürchtungen hinsichtlich Wachstumsrückgang plötzliche Kursverluste auslösen können.

Makroökonomisches Bild

Auch wenn sich die meisten großen Märkte durch den „Fed-Put“ – also der Erwartung, dass die US-Notenbank mit geldpolitischen Maßnahmen eingreift, um die Finanzmärkte zu stützen – von der Volatilität Anfang August erholt haben, dürfen wir nicht übersehen, dass einige Segmente immer noch so gepreist sind, als befänden wir uns in einem perfekten Umfeld. Dies deutet darauf hin, dass Unternehmensgewinne und politische Maßnahmen noch stärker in den Vordergrund rücken werden, insbesondere wenn sich die Inflation abkühlt, die Wirtschaftstätigkeit nachlässt und der Lärm um die US-Wahlen zunimmt.

  • Sanfte Landung ohne Rezessionsszenario in den USA bestätigt. Eine Verlangsamung, aber kein Zusammenbruch des Arbeitsmarktes und schwache Anlageinvestitionen deuten auf eine leichte Verlangsamung hin. Für das Vereinigte Königreich haben wir die Wachstumsprognose für dieses Jahr geringfügig angehoben, aber es gibt immer noch Fragezeichen bei der Inlandsnachfrage.
  • Disinflationäre Tendenzen in den USA und Europa bestätigt. Wir haben unsere Prognose für die Verbraucherpreisinflation in den USA für das vierte Quartal 2024 nach unten revidiert, da die Lohnstückkosten und der Arbeitskostenindex schwach sind. Die Verbesserung der Arbeitsproduktivität dürfte ebenfalls zur Disinflation beitragen. In Europa hängt das Tempo der Disinflation von der Dienstleistungsinflation ab, die sich als hartnäckig erweisen könnte.
  • Die Phase divergierender Zentralbanken-Politik könnte sich dem Ende zuneigen, wobei Japan eine Ausnahme bildet. Wir rechnen für den Rest des Jahres mit drei Zinssenkungen durch die Fed und je drei durch die EZB und die Bank of England.
  • China dürfte sich auf einem schwierigen Erholungspfad befinden. Die Unterstützung für den Immobilienmarkt war nur von kurzer Dauer, während sich die Lage auf den Arbeitsmärkten verschlechtert hat. Die Rentabilität der Unternehmen wird durch die Verschlechterung des Konsumentenvertrauens beeinträchtigt.

Assetklassen-Einschätzungen

Kurzfristig dürften die Märkte in einer Schwankungsbreite verharren, die keinen klaren Trend erkennen lässt. Dennoch gibt es in einem breiten Spektrum von Anlageklassen interessante Bereiche, die es zu entdecken gilt:

  • Anlageklassen-übergreifend: Eine leichte Verlangsamung der US-Wirtschaft, die Anfälligkeit des europäischen Wachstums und überhöhte Bewertungen in bestimmten Segmenten erfordern eine vorsichtige Risikoanpassung, aber keine strukturelle Risikoreduktion. Wir haben daher unsere Haltung gegenüber den USA, europäischen Small Caps und Schwellenländern taktisch reduziert. Wir bleiben für Aktien insgesamt leicht positiv gestimmt, insbesondere Großbritannien und Japan. Obwohl wir für Schwellenländeranleihen weiterhin positiv gestimmt sind, glauben wir, dass die Volatilität im Zusammenhang mit den US-Wahlen einige lokale Währungen und Anleihen beeinträchtigen könnte. US-Treasuries und europäische Anleihen bieten nach unserer Auffassung nach wie vor attraktive Renditen, Investoren sollten aus unserer Sicht jedoch eine Erhöhung der Sicherheitsvorkehrungen in Betracht ziehen. Die geopolitischen Spannungen und die Anziehungskraft von Gold als sicherer Hafen veranlassen uns, Gold gegenüber positiv eingestellt zu bleiben.
  • Anleihen: Die starken Renditeschwankungen während des Sommers erfordern eine flexible/aktive Haltung bei der Duration. Duration ist eine Maßzahl für die Zinssensitivität von Anleihen. Langfristig sind wir für US-Treasuries positiv gestimmt, haben unsere Haltung jedoch taktisch leicht reduziert. Das kurze Ende (2 Jahre) der Zinskurve ist unseres Erachtens inzwischen teuer, während die mittleren Laufzeiten attraktiv bleiben. In Kerneuropa halten wir an unserer konstruktiven Haltung fest, haben aber Großbritannien auf neutral herabgestuft. Der US-Verbriefungsmarkt erscheint attraktiv, aber wir sind selektiv. Unternehmensanleihen bieten Chancen, und wir bevorzugen Investment Grade (Anleihen hoher Bonität) gegenüber High-Yield (Hochzinsanleihen), sowohl in den USA als auch in Europa.
  • Aktien: Der Marktstress Anfang August begünstigte die Ausweitung der Rallye über die US-Large Caps hinaus. Wir gehen davon aus, dass sich die Rallye fortsetzen wird, wenn die Gewinne außerhalb dieser Segmente wieder anziehen, aber sie wird möglicherweise nicht linear verlaufen. Daher bleiben wir bei teuren Namen, US-Wachstumstiteln und Large Caps zurückhaltend. Dagegen bevorzugen wir einen gleichgewichteten Ansatz und US-Value (wertorientierte US-Aktien). In Europa, wo die Bewertungen günstiger sind, bleiben wir ausgewogen mit einer positiven Einstellung gegenüber zyklischen und defensiven Werten.
  • Schwellenländer: Das Wachstum in den Emerging Markets steht weiterhin auf einer soliden Basis, könnte aber angesichts der US-Wahlen kurzfristig durch Protektionismus unter Druck geraten. In China unternimmt die Regierung zwar vereinzelte Anstrengungen, um den Immobilienmarkt anzukurbeln, aber wir bleiben wachsam. Stattdessen bevorzugen wir Aktien in Märkten wie Indonesien, Indien und Brasilien. Bei Schwellenländeranleihen sind wir selektiv und achten auf Gegenwind für Anleihen in lokaler Währung.

Von Vincent Mortier, Group CIO Amundi und Matteo Germano, Deputy Group CIO Amundi.

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