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Der aktuelle US-Zoll- und Handelskrieg wird gerne mit den US-Zöllen zur Zeit der großen Depression verglichen – doch der Vergleich hinkt aus mehreren Gründen, sagen die Amundi-Experten rund um CIO Vincent Mortier. Sie werfen einen Blick zurück auf insgesamt zehn Phasen steigender Zölle in der US-Geschichte – einschließlich der aktuellen Phase „Trump 2.0“ – und werfen die Frage auf, was Zölle erreichen können, oder: was sie aktuell bewirken dürften.
Seit dem 19.Jahrhundert gab es etwa zehn Episoden des US-Protektionismus. Wir konzentrieren uns auf die vier Episoden, die nach dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861 bis 1865) stattfanden. Jeder dieser Handelskriege weist einige Ähnlichkeiten, aber auch erhebliche Unterschiede zum heutigen Umfeld auf. In ihrer Wirkung reichen die Maßnahmen von erfolgreich (1897) bis katastrophal (1930).
1897–1900, Dingley-Zollgesetz und Präsident McKinley
Auf dem Papier ähneln die Zölle denjenigen von heute. Allerdings waren die USA damals ein aufstrebender Herausforderer – und keine reife Supermacht. Zudem war die wirtschaftliche Unterstützung war stärker. Die Rechnung ging auf: Die Aktienmärkte entwickelten sich gut, wobei die Bewertungskennzahlen dank steigender Gewinne bei gleichzeitigem kräftigem Wirtschaftswachstum sanken. Trotz steigender Inflation schwächten sich die Renditen leicht ab. Der Dollar wertete bis zum Beginn der nächsten Rezession auf.
1919–1923, Fordney-McCumber-Zollgesetz, Präsident Harding
Wirtschaftliche Herausforderungen nach dem ersten Weltkrieg, Arbeitsunruhen und die Angst vor dem Kommunismus führten zu einem intensivem, aber kurzlebigen Handelskrieg, von dem zunächst die USA profitierten, der aber letztendlich das Wachstum bremste, da die Zölle über Jahre hinweg auf einem hohen Niveau gehalten wurden. Der Handelskrieg führte zu einer schweren, aber kurzzeitigen Störung der Lieferketten und des Welthandels. Angesichts der anhaltend hohen Zölle stagnierte das Wachstum in den USA bei schwachen 0 bis 2 %.
1930–1933, Smoot-Hawley-Zollgesetz, Präsident Hoover
Die Zölle sollten in einem rezessiven Umfeld Industrien und Arbeitsplätze schützen, verstärkten jedoch die wirtschaftliche Depression erheblich und führten zu Vergeltungsmaßnahmen in gleicher Höhe. Die rückläufige Auslandsnachfrage verschärfte die innenpolitischen Probleme und führte zu extremer Arbeitslosigkeit, einem deutlich höheren öffentlichen Defizit und steigenden Schulden. Der Dollar schwächte sich ab, was das gesunkene Vertrauen in die USA widerspiegelte. Insgesamt war dieser Handelskrieg ein Fiasko.
1953–1962, Präsident Eisenhower
Eisenhowers Ziel war es, den Kommunismus einzudämmen und wichtige Industrien angesichts der verschärften ausländischen Konkurrenz zu schützen. Das Mittel waren angepasste Zölle zum Schutz ausgewählter Branchen, ohne den Grundsatz des Freihandels zu untergraben. Die Zölle hatten nur moderate und vorübergehende Auswirkungen auf den Handel. Wachstum und Unternehmensgewinne blieben positiv, die Zölle hatten kaum Auswirkungen auf Inflation und Verschuldung.
Fazit
Das Fiasko der Zollkriege während der Weltwirtschaftskrise und die Hegemonie der USA trugen dazu bei, dass Zölle sowohl in den USA als auch in großen Teilen der restlichen Welt nach dem Zweiten Weltkrieg auf historisch niedrige Niveaus gesenkt wurden. Heute erleben wir weltweit sich stetig verschärfende Handelsungleichgewichte und befinden uns auf dem Weg zurück zu einer multipolaren Welt. Damit im Einklang steht, dass Zölle vor dem Hintergrund wachsender geopolitischer Spannungen ein Comeback feiern.
Verschiedene Zoll-Episoden seit dem Bürgerkrieg weisen unterschiedliche Parallelen zur heutigen Entwicklung auf, was sie zu mehr oder weniger guten Beispielen für die aktuelle Situation macht. Die Folge: Keine der vergangenen Episoden allein kann zuverlässig den wahrscheinlichsten Ausgang der aktuellen Handelskriege vorhersagen, doch in der Gesamtschau geben sie Anhaltspunkte für mögliche Auswirkungen der heutigen US-Politik.
Von Jean-Baptiste Berthon, Senior Investment Strategist, Amundi Investment Institute, Vincent Mortier, Group Chief Investment Officer, Amundi, und Monica Defend, Head of Amundi Investment Institute & Chief Strategist
Quelleninformationen und weitere Angaben finden Sie in der aktuellen Veröffentlichung A brief history of US protectionism and global trade sowie im Amundi Research Center.
Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von dem Amundi Asset Management SAS und sind Stand 17. Juni 2025. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung des Amundi Asset Managements. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte des Amundi Asset Managements zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.