Auf der Amundi Investment Konferenz am 30. April analysierte Thomas Kruse, CIO von Amundi Deutschland, die aktuell starken Kursausschläge an den globalen Börsen. Wie sich Anleger nun positionieren können und warum Europa dabei eine besondere Rolle spielen dürfte, erläuterte der renommierte Finanzexperte im ausführlichen Interview.
Herr Kruse, Donald Trump ist nun gut 100 Tage im Amt. Wie ist seine Bilanz?
Er hat rund 130 Dekrete erlassen und dabei auch viel Reputation der USA und internationales Vertrauen in den Leitmarkt der Welt verspielt. Das Vertrauen seiner Wählerschaft, der Verbraucher und Unternehmer ist stark beschädigt. Die Idee Trumps, mit Zöllen Investitionen im großen Maßstab in die USA zu lenken, dürfte nicht aufgehen. Das könnte bei den Midterm-Wahlen 2026 zum Problem für ihn werden, wenn es wieder um die Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus geht.
Die Märkte haben sehr empfindlich auf Trumps erratische Zoll-Agenda reagiert. Nun hat er die hohen Zölle zum Teil in einem Moratorium ausgesetzt. Ist wieder alles gut?
Nein, die Unsicherheit an den Märkten bleibt natürlich trotzdem erhalten, obwohl die Börsenkurse sich nun teilweise wieder erholen konnten. Ende Juni, Anfang Juli stellt sich die Frage wieder: Was kriegen wir nun? Hinzu kommt, dass der US-Verbraucher die Zollpolitik vermutlich mit höheren Preisen bezahlen wird müssen. Das dürfte die Inflation weiter anheizen und sich negativ auf die Konjunktur auswirken. Und vergessen wir auch nicht, dass die Zölle für die EU mit 10% nun aktuell bereits viermal so hoch sind wie Ende 2024. Zudem flaut der Handel zwischen den USA und China bereits merklich ab. Wir von Amundi erwarten demnach auch nur noch ein BIP-Wachstum von 1,3% in den USA.
Wie reagieren die Anleger auf diese möglichen Folgen der wirtschaftlichen Abkühlung?
In der Tat sehen wir im Zuge des Handelskonflikts einen Favoritenwechsel bei Investoren, der andauern dürfte. Gelder fließen nun verstärkt aus den USA und dem Dollar raus und in aussichtsreichere Märkte rein, allen voran Europa. Aber auch ganz Asien leidet unter der Verschärfung der nun offen ausgetragenen wirtschaftlichen und politischen Rivalität zwischen den USA und China. Deshalb beobachten wir, dass von dort Kapital in Richtung anderer Schwellenländer, etwa nach Südamerika, abfließt.
Kann man sagen, welche Attribute die neuen Favoriten haben sollten?
In erster Linie sollten sie wenig von der aktuellen Zollproblematik betroffen sein. Das gilt vor allem für solche Unternehmen und Branchen, die sich auf die jeweiligen Binnenmärkte konzentrieren: Etwa in den Bereichen Telekommunikation oder Versorger, oder kleinere zyklische Unternehmen. Auch Regionen mit hoher Autarkie und geringer Exportabhängigkeit könnten in diesem Sinne Alternativen zu den USA sein, so wie beispielsweise Indien oder Indonesien.
In unserer Online-Umfrage hier auf der Amundi Investment Konferenz haben 85% der Teilnehmer geäußert, sie rechneten „nicht mit US-Zöllen in der zuvor von Trump angedrohten Höhe“. Wie sehen Sie das perspektivisch?
Da kann ich mich nur anschließen, Trump hat an der scharfen Reaktion der Märkte gesehen, dass er überzogen hat. Der Anstieg der Zinsen am langen Ende kann ihm nicht recht sein, zumal er sich der Inflations- und Verschuldungswirkung seiner Agenda bewusst sein dürfte. Schätzungen zufolge könnte die Staatsverschuldung der USA unter seiner Präsidentschaft von 36 Bio. US-Dollar auf rund 55 Bio. US-Dollar ansteigen.
Kann der Dollar da noch der sichere Hafen für Anleger sein?
Am kurzen Ende gilt das Attribut noch, langfristig wird das aber immer fraglicher. Diese Entwicklung spiegelt sich ja gerade auch in den starken Zuflüssen, die der Euro im Moment verzeichnen kann.
Kann die EU also die USA als neuer Leitmarkt in Zukunft gar ablösen?
Kapitalanleger werden auch künftig um den starken amerikanischen Markt nicht herumkommen. Dafür sind Rahmenbedingungen, Wirtschaftswachstum und Demografie in den USA zu attraktiv. Doch wenn die EU nun strukturelle Probleme angeht, einheitlich auftritt und die eigene Verteidigung vorantreibt, kann sie ihre internationale Position und auch das Standing bei Anlegern deutlich ausbauen. Wir rechnen damit, dass der Trend Richtung Europa anhalten dürfte.
Von der neuen Bundesregierung und dem noch in der letzten Legislatur beschlossenen Fiskalpaket kommen ja nun positive Impulse für Deutschland und Europa. Auch die US-Börsen atmen durch. Ist es also Zeit wieder einzusteigen?
Wichtig ist, die Trends aufmerksam zu beobachten. Ich würde nicht zwingend auf die bisherigen Favoriten setzen und zum Beispiel nicht wieder in US-Tech-Werte einsteigen. Ein Portfolio sollte nun bewusst breiter aufgestellt sein und wie vorhin beschrieben nach neuen Favoriten suchen. Auch eine Beimischung von Gold oder inflationsgeschützten Anleihen kann in diesem Umfeld Sinn ergeben. Jedenfalls werden wir noch einiges an Volatilität im Markt sehen, so dass sich die nächsten Monate immer wieder auch Einstiegskurse ergeben sollten.
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