Die Herbstausgabe der Amundi Investment Konferenz am 25. September stand ganz im Zeichen der Wirtschaftsmacht Europa. Nach Jahren im Schatten der Vereinigten Staaten rückt der Alte Kontinent wieder ins Zentrum der Weltmärkte: Der einst sichere Hafen USA verliert an Verlässlichkeit, der US-Dollar gerät unter Druck und eine erratische US-Politik verunsichert. Diese neue Attraktivität Europas analysierte auf der beliebten Live-Online-Konferenz eine gewohnt hochkarätig besetzte Runde renommierter Expertinnen und Experten. Knapp 1.100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten das interaktive Amundi Format und brachten ihr Know-how mit Fragen, Feedback und über TED-Befragungen ein. 

Christian Pellis: „Europas neues Selbstverständnis birgt Chancen“ 

In seiner Begrüßungsrede verortete Gastgeber Christian Pellis Europa an einem wichtigen Wendepunkt: „Nach Jahren der wirtschaftlichen Stagnation und der politischen Lethargie sehen wir nun erste Anzeichen für eine Trendwende: Die Notwendigkeit zu mehr europäischer Souveränität scheint erkannt.“ Im Zuge der avisierten Rekordinvestitionen – vor allem in Infrastruktur und Verteidigung – würden bereits seit Monaten internationale Kapitalzuflüsse nach Europa steigen: „Daraus erwächst auch eine Vielzahl an Chancen für Investoren“, so Pellis. Der CEO von Amundi Deutschland appellierte aber auch dafür, Herausforderungen wie den demografischen Wandel nicht zu ignorieren. Gerade in der Altersvorsorge brauche man Lösungen, welche die private und betriebliche Vorsorge stärken und die Chancen des Kapitalmarkts besser nutzbar machen können: „Hier sollten wir als europäische Länder voneinander lernen und zusammen neue Wege ausloten, um damit insgesamt gestärkt in die Zukunft zu gehen.“ 

Thomas Kruse: „Europäische Märkte sind deutlich niedriger bewertet als die der USA“

Chefstratege Thomas Kruse betonte in seiner Marktanalyse, dass vor allem die Aussetzung der Schuldenbremse in Deutschland die Wachstumsfantasie beflügeln konnte, doch: „Die Politik muss nun zügiger ins Handeln kommen, dann dürfte das Fiskalpaket strukturelle Änderungen anstoßen, die ein stärker selbsttragendes Wachstum in Deutschland und Europa unterstützen sollten.“ Zudem bräuchte es weitere Erleichterungen für europäische Unternehmen sowie Planungssicherheit in der Zollpolitik. So habe beispielsweise der Höhenflug des Euro bei gleichzeitiger US-Dollar-Schwäche – als direkte Folge von Trumps Zoll-Poket – die Gewinnerwartungen der US-Export-Unternehmen beflügelt. Europäische Export-Unternehmen mussten im Gegenzug ihre Schätzungen auch wegen der belastenden Wechselkurse nach unten revidieren. „Die Bewertungen in Europa sind allerdings deutlich niedriger und damit attraktiver als in den USA“, erklärte Kruse, der perspektivisch auch eine Annäherung der BIP-Wachstumsraten beider Regionen für wahrscheinlich hielt: „Das bedeutet schlicht Potenzial für Europas Kapitalmärkte.“  

Jens Eisenschmidt: „Die US-Dollar-Schwäche dürfte anhalten“

Bei den Inflationsraten identifizierte Jens Eisenschmidt, Managing Director und Chief European Economist von Morgan Stanley, einen entscheidenden Unterschied zwischen Europa und den USA: „Bei uns dürfte der Preisauftrieb auf absehbare Zeit unter dem EZB-Zielwert von 2,0% bleiben, in den USA jedoch über den Fed-Zielen.“ Die nächsten Leitzinsänderungen seien zwar bei EZB und Fed voraussichtlich Senkungen, allerdings: „Die Langfristzinsen folgen dieser Bewegung nur zum Teil“, so Eisenschmidt, der weiterhin mit einem schwächeren US-Dollar und einer Aufwertung des Euro rechnete: „Der Wechselkurs macht die USA als Investment infolge etwas unattraktiver.“

Dr. Timo Blenk: „Europa hat enormes Aufholpotenzial“

Mit der Renaissance der Geopolitik zulasten des freien Welthandels müssten sich auch Europas Unternehmen völlig neuen Herausforderungen stellen, konstatierte Dr. Timo Blenk, Senior Partner & CEO der Agora Strategy Group AG. „Der Mut unter Unsicherheit Entscheidungen zu treffen wird zu einem Schlüsselfaktor, um neue Märkte und Partnerschaften zu erschließen“, betonte der ausgewiesene Experte für Geo- und Sicherheitsstrategie. Mit Blick auf eine höhere Volatilität in der Weltwirtschaft und auch die steigende Rechtsunsicherheit müssten sich Unternehmen strukturell sowie in Bezug auf das „Mindset“ neu aufstellen. „Strategisch in Szenarien denken, wahrscheinliche Entwicklungen fünf bis zehn Jahre voraussehen und bewusst adaptiv bleiben, etwa mit einer Ressort-übergreifenden Task-Force – diese und andere Resilienz-Investments werden künftig stärker über Marktanteile und -erfolg entscheiden“, so Dr. Blenk. Gerade im Rüstungssektor dürften sich die Produktzyklen weiter stark verkürzen, wie das Beispiel Drohnentechnologie zeigen würde: „Europa könnte mit Hilfe der Fiskalpakete gerade hier enormes Aufholpotenzial einlösen.“ 

Prof. Gabriel Felbermayr: „Wir könnten das Talent der Welt zu uns holen“

Der Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung, Prof. Gabriel Felbermayr, erinnerte in seiner Analyse daran, dass „die EU noch vor 30 Jahren der globale Handels-Hegemon war.“ Trotz der Ablösung durch China, sei Europa aber immer noch ein starker globaler Faktor im Welthandel, ein Niedergang alles andere als determiniert. Voraussetzung: „Europa sollte sich auf seine Trade Intelligence besinnen, weiter Handelsabkommen sowie Koalitionen schließen und dabei den Größenvorteil ausspielen – die Vertiefung und Ausschöpfung des EU-Binnenmarktes bleiben somit zentrale Herausforderungen“, so Prof. Felbermayr. Grund zu Optimismus böten auch „die gute Wettbewerbsfähigkeit der industriellen Basis in Europa“ und, dass der Alte Kontinent weltweit als „Sehnsuchtsstandort“ eine hohe Attraktivität genieße: „Umfragen zeigen, kaum einer will nach China oder Russland, die Mehrheit würde gerne nach Europa – eine große Chance, das Talent der Welt zu uns zu holen.“    

Helen Windischbauer: „Deutschland hat einen starken Mittelstand“

Welche konkreten Schlüsse Anlegerinnen und Anleger aus den aktuellen Entwicklungen in der Geopolitik und an den Märkten ziehen könnten, analysierte im Anschluss Helen Windischbauer, Leiterin Multi-Asset Solutions bei Amundi. „Wir begegnen in unseren Portfolios den vorhandenen Unsicherheiten konstruktiv, streuen breit, bauen Absicherungsstrategien ein, wo nötig, nutzen aber auch die Chancen, die sich bieten“, so Windischbauer. Zinssenkungen der Notenbanken könnten ebenso positive Effekte freisetzen, wie die großen Fiskalpakete. Unternehmen, die hier besonders profitieren könnten, wären beispielsweise in den Bereichen „Schienen, Straße und Netzausbau“ tätig, aber auch für „Verteidigung“. Gerade Unternehmen, die Zölle wegen ihrer Marktmacht an den Kunden weiterreichen könnten oder wegen des europäischen Binnenmarktes besser geschützt sind – oftmals „Qualitätsunternehmen“ –, seien momentan besonders interessant. Für europäische Werte spreche derzeit die ausgeprägte Unterbewertung, doch solle man die USA nicht „außen vorlassen“, so Windischbauer: „US-Tech-Werte und der KI-Sektor erzeugen hohe Effizienzgewinne und bleiben bei aller Vorsicht wichtig für ein breit gestreutes Portfolio.“ Doch auch Deutschlands „Hidden Champions“ seien ein spannendes Feld mit „viel Innovations- und Wirtschaftskraft.“ 

Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 25.09.2025. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.