Anna Rosenberg ist Head of Geopolitics am Amundi Investment Institute. Auf der jüngsten Amundi Outlook Investment Konferenz erläuterte die renommierte Expertin insbesondere, welche Auswirkungen die zweite Amtszeit von US-Präsident Donald Trump haben könnte und welche Risiken Investoren bei ihren Entscheidungen 2025 berücksichtigen sollten.
Gefühlt haben die geopolitischen Krisen und Konflikte in letzter Zeit eher zugenommen. Trügt dieser Eindruck?
Ich würde sagen, es gibt mehr geopolitische Risiken. Dafür gibt es handfeste Gründe. Allen voran die aktuelle Multipolarität, die allein schon dafür sorgt, dass viele Länder ihre Einflusszonen erweitern wollen. Das bringt mehr Risiken und weniger Konsens, die Zahl der Krisen und „Unfälle“ nimmt deshalb zu. Die verschlechterten bilateralen Beziehungen können wir übrigens mit unseren eigenen Tools bereits deutlich messen.
Könnten Sie konkrete Herausforderungen nennen?
Prägnantestes Beispiel ist die neue Rivalität zwischen den USA und China als Wettkampf der Supermächte. Aber auch der Ukraine-Russland-Krieg führt dazu, dass Nuklearmächte und angehende Nuklearmächte wie Russland, China, Nordkorea und der Iran sich einander annähern und gemeinsame Interessen entwickeln. Wirtschaftliche Disruption mit Zöllen und Sanktionen, aber auch der Klimawandel und ihm folgende Migrationsströme oder politische Desinformation durch KI belegen die große Vielzahl geopolitischer Risiken. Diese müssen zwar nicht eskalieren, aber sie führen zu einer neuen Fragilität.
Führt uns all das in eine deglobalisierte Welt?
Eine Deglobalisierung beobachten wir momentan nicht. Allerdings haben viele Unternehmen ihre Produktion und Handelswege als Antwort auf diese Entwicklung diversifiziert. Das heißt schlicht, nun gibt es neue Wege für Waren sowie Rohstoffe, und damit auch andere Profiteure. Allerdings müssen wir das Thema Zölle weiter beobachten, denn es birgt schon die Gefahr einer Initialzündung, die zu einer Deglobalisierung führen könnte.
Der internationale Handel dürfte ja nun durch Trumps Ankündigung weiterer Zölle in der Tat unter Druck geraten. Welches Szenario erwarten Sie?
Wir rechnen zwar nicht mit plötzlichen, sehr hohen Zöllen, aber mit einer sukzessiven Einführung bzw. Anhebung der Zölle durch die Trump Administration. Der Fokus wird hier auch auf China liegen. Das begann ja bereits unter Biden, der bei den Themen KI und Halbleiter schon mit Zöllen agierte.
Und für Europa?
Da fokussiert sich Trump erkennbar wieder auf die Themen seiner ersten Amtszeit: Die deutsche Autoindustrie, Aluminium- und Stahlproduktion oder die Luftfahrt. Die EU dürfte versuchen, ihm hier mit Mini-Deals entgegen zu kommen, um das Gröbste abzuwenden.
Donald Trump hatte ja im Wahlkampf versprochen, den Russland-Ukraine-Krieg schnell zu beenden. Damit würde eine große Belastung der Finanzmärkte entfallen. Wie wahrscheinlich ist das?
Ich glaube sehr wohl, dass wir schon bald Verhandlungen sehen werden. Ein Waffenstillstand im ersten Halbjahr 2025 ist allerdings eher unwahrscheinlich. Allerdings wäre ein Waffenstillstand, selbst im 2. Halbjahr, noch lange kein stabiler Frieden. Die Sicherheitsfragen der Ukraine und der territoriale Konflikt werden dadurch nicht beigelegt. Russland dürfte daher auf absehbare Zeit ein Problem für Europa bleiben, denn die Amerikaner werden sich unter Trump mehr auf den Konflikt mit China konzentrieren. Das heißt letztlich auch, dass Europa wahrscheinlich seine Verteidigung deutlich höher priorisieren wird.
Die vielen internationalen Konflikte dürften sich auch auf den Ölpreis auswirken. In welche Richtung?
Im Energiesektor verändert sich gerade sehr viel und wir sehen unterschiedliche Signale: Trumps Credo „Drill Baby drill“ könnte das Angebot natürlich signifikant ausweiten und die Preise drücken, andererseits gibt es auch neue Sanktionen gegen Russland, die den Preis jüngst etwas angehoben haben. In Summe bedeutet das wohl auf mittelfristige Sicht einen volatilen Ölpreis. Ich bin aber auch überzeugt davon, dass es künftig immer mehr neue Energiequellen geben wird, was den gesamten Energiesektor perspektivisch transformieren und diversifizieren dürfte.
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