Trumps Zoll-Agenda hält die Märkte weiter in Atem. Helen Windischbauer, Leiterin Multi Asset Solutions bei Amundi Deutschland, erläutert im ausführlichen Interview, wie Zölle und US-Staatsschulden zusammen hängen und in welchen Anlageregionen und -klassen das aktuelle Umfeld Chancen für Anleger bieten könnte.
Frau Windischbauer, das „Big Beautiful Bill“ der Trump-Administration könnte die US-Staatsverschuldung um bis zu 3,5 Bio. US-Dollar erhöhen. Wurde das am US-Finanzmarkt eigentlich schon eingepreist?
Noch nicht ganz. Bei diesen gigantischen Summen sollte man auch erstmal abwarten, inwieweit die Zölle dazu beitragen könnten, die Staatsschulden zu etwas zu senken. Allerdings machen sich nicht wenige Investoren Sorgen, ob perspektivisch die Schuldentragfähigkeit der USA nicht an ihre Grenzen kommt.
Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die US-Staatsanleihen, über die das Land ja enorme Gelder einsammelt?
Für viele Anleger sind US-Staatsanleihen natürlich weiterhin ein sicherer Hafen. Doch wird angesichts dieses neuen Schuldenprojektes diskutiert, wie lange das noch so bleiben dürfte. Allerdings führt derzeit noch kein Weg um die US-Staatsanleihen herum. Dafür ist der Markt zu groß, zu breit und zu tief sowie zudem besonders liquide. Wir sehen aber über die letzten Jahre in der Tat eine gewisse Abkehr und die Suche nach Alternativen.
Wären deutsche Bundesanleihen eine Alternative?
Ja, zumal die deutschen Schuldenpläne das Angebot an deutschen und damit europäischen Staatsanleihen ausweiten werden. Allerdings dürfte das Volumen noch geraume Zeit nicht an den US-Markt heranreichen. Doch Stück für Stück könnten die Europäer ihre Position auf dem Anleihemarkt ausbauen, wenn Investoren sich infolge breiter diversifiziert aufstellen würden.
Der US-Schuldenberg steigt aktuell ungebremst weiter. Drängt Donald Trump deshalb die Fed zu schnellen und deutlichen Zinssenkungen?
Genau, das ist ein Grund. Trump hat die Hoffnung, dass der US-Dollar schwach bleibt – auch hier würden niedrige Leitzinsen der Zentralbank helfen. Allein schon mit Blick auf die Schuldentragfähigkeit wären niedrigere Zinsen eine Erleichterung für den US-Staatshaushalt, wo die Zinsen mittlerweile ein beachtlicher Posten sind.
Erwarten Sie in diesem Jahr noch Zinssenkungsschritte?
Die robusten US-Arbeitsmarktdaten mit lediglich 4,1% Arbeitslosenquote deuten eher nicht darauf hin, zumal die Fed ja einen reaktiven Kurs entlang der wichtigsten Wirtschaftsdaten angekündigt hat. Eine größere Rolle dürften aber die Zölle spielen, die eine inflationstreibende Wirkung entfalten könnten. Wir sehen die US-Zentralbank in Summe eher auf der Zinssenkungsseite als auf einem Pfad in Richtung Erhöhung. Das sollte die Anleihemärkte, aber auch die Aktienmärkte stützen. Wir von Amundi gingen bislang für dieses Jahr noch von drei Zinssenkungsschritten aus. Die nun veröffentlichen Arbeitsmarktdaten überraschten allerdings so positiv, dass wir uns auch eine Reduzierung auf zwei Zinsschritte in 2025 vorstellen könnten.
In den ersten Monaten des Jahres haben sich einige Investoren an den US-Märkten Europa zugewandt. Doch nun sind auch die US-Börsen wieder stark zurückgekommen. Warum?
Grundsätzlich ist es ein gutes Zeichen, dass der Investitionsstandort Europa international stark nachgefragt wird. Der Hintergrund dieser Zuflüsse war natürlich vor allem unser deutsches Schuldenprogramm in Sachen Rüstung und Infrastruktur. Von diesem dürften deutsche und europäische Unternehmen auch weiter profitieren. Doch auch die US-Aktien haben nach ihrer Konsolidierung wieder zugelegt, vor allem weil Anleger die geplanten Steuererleichterungen des „Big Beautiful Bill“ begrüßen und einen Impuls für viele US-Unternehmen erhoffen. Beim US-Anleihemarkt sind die Investoren allerdings wie erwähnt skeptisch, was die Renditen – vor allem am langen Ende der Zinskurve – bereits angehoben hat.
Welche Region bevorzugen Sie in der Allokation: Eher Europa oder USA?
Beide! Grundsätzlich sollte man immer breit mischen. Denn US-Unternehmen bleiben wegen der geplanten Steuererleichterungen starke Konkurrenten auf dem Weltmarkt und somit für Anleger attraktiv. Europa holt auf, aber auch Asien sollte in einem diversifizierten Portfolio als Beimischung eine Rolle spielen.
Fokussieren Sie dabei auf bestimmte Sektoren?
Zuerst rate ich auf die globalen Trends zu achten. Also beispielsweise die wahrscheinlichen Zinssenkungen in Europa, von denen dann auch kleinere und mittlere Unternehmen – etwa im SDAX oder MDAX – profitieren könnten. Bei den Sektoren könnte man eher breit streuen, um das Risiko zu diversifizieren. Einen Fokus setzen wir aktuell auf defensive Sektoren oder Dividendentitel in den Bereichen Telekommunikation oder Versorger. Aber auch Finanzwerte können interessant sein, weil die steilere Zinsstrukturkurve ihnen gute Verdienstaussichten bieten sollte.
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