Die jüngste Ausgabe des beliebten Online-Formats „Amundi CIO-Update“ setzte am 20.11.2025 einen Fokus auf die Geldpolitik der Notenbanken. Helen Windischbauer von Amundi Deutschland und Prof. Dr. Emanuel Mönch von der Frankfurt School of Finance & Management analysierten live den aktuellen Kurs von EZB und Federal Reserve. Warum beide Notenbanken derzeit eher datenabhängig agieren, erfahren Sie im Interview.
Frau Windischbauer, was bewegt die Märkte aktuell?
Windischbauer: Trotz der aktuell wahrnehmbaren Nervosität, die sich in der einen oder anderen Kurskorrektur zeigt, sehen wir eine Reihe stabiler und positiver Faktoren. Erstens ist der längste Regierungs-Shutdown in den USA nach 43 Tagen beendet, was an den Märkten für Entspannung sorgte. Auch die Berichtssaison verlief positiv: Über 80% der Unternehmen übertrafen die Erwartungen. In der Eurozone verbesserten sich die Einkaufsmanagerindizes stärker als erwartet und das BIP-Wachstum liegt zwar mit 0,2% gegenüber dem Vorquartal auf niedrigem Niveau, doch immerhin 1,4% über dem Wert des Vorjahres. Die Inflation liegt nahe des Zielkorridors, auch deshalb ließ die EZB die Leitzinsen unverändert. Die Fed senkte zwar wie erwartet den Leitzins um 0,25%, dämpfte aber die Erwartungen für weitere Zinssenkungen im Dezember.
Herr Prof. Mönch, mit welchen Herausforderungen sieht sich die EZB momentan konfrontiert?
Prof. Mönch: Die Inflation ist aktuell nah am Zielwert von knapp zwei Prozent, und auf mittlere Sicht dürfte das auch so bleiben. Insofern ist die Geldpolitik in der Eurozone derzeit grundsätzlich gut austariert – es gibt momentan wenig Grund zu handeln und die Leitzinsen zu ändern. Es sei denn, es passiert etwas Unvorhergesehenes. Allerdings machen es die unterschiedliche konjunkturelle Dynamik der EU-Länder sowie die Heterogenität beim BIP-Wachstum nicht ganz leicht, die EZB-Linie zu kalibrieren. Es bleibt abzuwarten, wie schnell die fiskalpolitischen Impulse des deutschen Schuldenpakets für Infrastruktur, Rüstung und Klimaschutz sich in den Wachstumszahlen niederschlagen werden. Der Markt hat jedenfalls bereits positive Effekte eingepreist.
Rechnen Sie persönlich damit, dass die EZB demnächst die Zinsen weiter senken wird?
Prof. Mönch: Ich würde aktuell nicht für eine Zinssenkung plädieren und finde es richtig, abzuwarten und datenabhängig zu agieren. Wie gesagt, die Inflation ist völlig im Rahmen, wir sehen zudem wenig Dynamik in den unterliegenden Komponenten. Die nach wie vor recht hohe Dienstleistungsinflation wird momentan durch sinkende Energiepreise ausgeglichen. Insofern gibt es derzeit wenig Grund für die EZB, aktiv einzugreifen.
Wie bewerten Sie die Lage der Federal Reserve in den USA?
Prof. Mönch: Der historisch lange Shutdown hat nicht gerade geholfen, die Konjunktur zu stabilisieren und zudem das Verbrauchervertrauen belastet, aber alles in beherrschbarem Maße. Am Arbeitsmarkt stagnieren zwar die Einstellungen, allerdings wird auch wenig entlassen. Somit ist die Lage in den USA unter dem Strich relativ stabil und auch die Fed hat aus meiner Sicht derzeit wenig Anlass für einen größeren Kurswechsel in die eine oder andere Richtung. Doch im Offenmarktausschuss gibt es durchaus zwei Lager, die gegensätzlich positioniert sind, was die Frage „Zinssenkung oder Zinsanhebung?“ angeht. Ich persönlich glaube jedenfalls, dass die US-Notenbank den Leitzins im Dezember eher nicht senken wird, da die Inflation nach wie vor ziemlich hoch ist und die Konjunktur und der Arbeitsmarkt einigermaßen stabil.
Frau Windischbauer, wie übersetzen Sie die aktuelle Großwetterlage an den Märkten in die Allokation Ihrer Portfolios?
Windischbauer: Wir sind grundsätzlich positiv und optimistisch für Aktien und Anleihen. Europäische Aktien sollten sich gut entwickeln und die Volkswirtschaften der Eurozone spätestens 2027 ihr Potenzialwachstum wieder besser ausschöpfen. Treiber dieser Entwicklung dürften sowohl die Fiskalpakete der Länder sein, wie auch die Investitionen in KI, Energieverbesserung und Verteidigung. US-Aktien sollte man aus unserer Sicht wegen der bereits hohen Bewertungen breiter streuen und Risikopuffer einbauen. Strategisch könnte man Rücksetzer an den Börsen nutzen, um aussichtsreiche Positionen weiter auszubauen. Bei den Sektoren sehen wir – neben den oben genannten – insbesondere Finanztitel, Industrieaktien oder die Medizinbranche als attraktiv, ebenso in Europa kleinere und mittlere Unternehmen. Die sind zum einen stärker zinsabhängig und zudem tendenziell gering bewertet. Bei den Anleihen fokussieren wir uns auf den Investment-Grade-Bereich bei Unternehmensanleihen, während wir bei Staatsanleihen mittlerweile neutral positioniert sind. Wegen geopolitischer Risiken sind wir zudem weiter positiv für Gold als Risikopuffer.
Sie wollen auch künftig vom Know-how der Experten des Amundi CIO-Update profitieren? Hier geht es zur Anmeldung für das beliebte Online-Event: https://amundi-events.de/cio-update
Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 20.11.2025. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.