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Die globalen Aktienmärkte erreichten im Juli neue Rekordstände. Grund dafür waren die Erwartungen hinsichtlich Handelsabkommen, die Entspannung im Zollstreit mit China und die Hoffnung auf einen kurzfristigen Wachstumsschub in den USA durch Donald Trumps „One Big Beautiful Bill Act” (OBBBA). Dies erfolgte trotz höherer US-Zölle (im Vergleich zu vor Trumps Amtsantritt), was auf eine gewisse Sorglosigkeit bei den risikobehafteten Anlageklassen hinweist. Auf der anderen Seite spiegeln die Anleiherenditen in den USA, Großbritannien, Europa und Japan die Sorgen um die Tragfähigkeit der Staatsverschuldungen wider.
Makroökonomisches Bild
Wir sind der Meinung, dass angesichts der großen politischen Unsicherheit alle guten Nachrichten zur Wirtschaft und zu Zöllen, wie beispielsweise die Einigung mit Japan, von den Märkten positiv aufgenommen werden. Allerdings wird Trump auch nach Abschluss der Vereinbarungen mit seinen Handelspartnern an seinem transaktionsorientierten Ansatz festhalten. Diese politische Unsicherheit spiegelt sich wohl am deutlichsten im US-Dollar wider.
Die folgenden Faktoren könnten in diesem Sommer zu Marktturbulenzen führen:
- OBBBA – kurzfristiger Gewinn, langfristige Belastungen und soziale Folgen. Theoretisch dürfte der Gesetzentwurf durch vorgezogene Steuersenkungen kurzfristig den Konsum, die Investitionen und das BIP-Wachstum ankurbeln. Allerdings würde er die US-Schulden über einen Zeitraum von zehn Jahren um mehr als 3 Billionen US-Dollar erhöhen, und dürfte die Einkommen der schwächsten Haushalte beeinträchtigen, wenn im Oktober 2026 Kürzungen bei den Sozialausgaben in Kraft treten. Zweitens bedeuten Kürzungen bei Medicaid, dass die Menschen möglicherweise zusätzliche Mittel für Notfälle zurücklegen, was sich auf ihr Ausgabeverhalten auswirken wird. Schließlich dürfte der Gesetzentwurf nicht nur das Defizit erhöhen, sondern auch den Aufwärtsdruck auf die langfristigen Zinsen weiter verstärken.
- US-Unternehmen oder Konsumenten – irgendjemand muss die Kosten für die höheren Zölle tragen. Wenn die Unternehmen die Kosten an die Konsumenten weitergeben, wird das deren verfügbares Einkommen beeinträchtigen. Bislang tragen jedoch die Unternehmen und Importeure die Hauptlast. Die Prognosen der Unternehmen für das laufende Quartal dürften nähere Angaben zu den Auswirkungen dieser Zölle auf die Rentabilität liefern und Aufschluss darüber geben, ob die Unternehmen ihre Investitionspläne zurückstellen. In Europa steht die Frage im Mittelpunkt, wie sich die Stärke des EUR/USD-Wechselkurses auf die Unternehmensgewinne in der regionalen Währung auswirken könnte. Auf der Verbraucherseite werden die Schwäche der privaten Konsumausgaben, das moderatere Wachstum der realen verfügbaren Einkommen und die Abkühlung – wenn auch nicht massive Verschlechterung – des Arbeitsmarktes dazu führen, dass die Verbraucher bei ihren frei verfügbaren Ausgaben zurückhaltender werden.
- Die Höhe der endgültigen Zölle und etwaige Vergeltungsmaßnahmen werden sich auf die Wachstumsprognosen auswirken. Angesichts der sich noch entwickelnden Situation werden wir die endgültigen Zölle der USA, der EU und anderer Länder bei der Erstellung unserer Wachstumsprognosen berücksichtigen. Die Daten zum BIP des zweiten Quartals für die USA und die Eurozone sowie die Handelsgespräche USA-EU, insbesondere über Zölle und Vergeltungsmaßnahmen, werden sich auf unsere Wachstumsprognosen auswirken. Jede wesentliche Erhöhung der Einfuhrzölle erhöht die Abwärtsrisiken für das Wachstum in den USA.
Assetklassen-Einschätzungen
Die Markterwartungen für die US-Gewinne in diesem Jahr sind gegenüber April zurückgegangen und liegen nun näher an unseren Schätzungen. Darüber hinaus könnten Handelsgespräche und geopolitische Risiken die Volatilität verschärfen. Zwar ist die Liquidität an den Märkten derzeit ausreichend, doch könnte sich dies ändern, wenn diese Risiken eintreten. Daher sind wir der Ansicht, dass Investoren von direktionalen Risiken in teuren Segmenten Abstand nehmen sollten. Wir vertreten nun eine differenziertere Risikoeinschätzung mit Spielraum für umfangreiche Absicherungen.
Obwohl die Gewinnprognosen volatil bleiben und die Bewertungen hoch sind, sehen wir keinen Grund für eine strukturelle Risikoreduzierung, sondern konzentrieren uns darauf, Absicherungen hinzuzufügen, um etwaige Volatilität im Lauf des Sommers abzufedern.
- Anleihen: Wir sind aufgrund der attraktiven Ertragsaussichten, eines rezessionsfreien Szenarios und der lockeren Geldpolitik der Zentralbanken für Unternehmensanleihen positiv gestimmt. Zwar ist die Liquidität am Markt derzeit reichlich vorhanden, doch könnte sich dies unter dem Druck höherer Zölle ändern. Daher konzentrieren wir uns bei Anleihen auf Ertragsmöglichkeiten und Qualität. Taktisch sind wir bei der Gesamtduration derzeit nahezu neutral positioniert. Duration ist eine Maßzahl für die Zinssensitivität von Anleihen.
- Aktien: US- und europäische Aktien erholten sich von den Tiefstständen im April, allerdings hat in dieser Zeit die politische Unsicherheit zugenommen. In beiden Fällen ist die Marktbreite jedoch gering. Wir sind bestrebt, widerstandsfähige Geschäftsmodelle zu identifizieren, die weniger von Zöllen betroffen sind, und konzentrieren uns auf Qualität durch Bilanzstärke. Wir bevorzugen insbesondere Europa gegenüber den USA und sehen Japan und Großbritannien positiv.
- Schwellenländer: Die Emerging Markets haben sich als widerstandsfähig erwiesen und verzeichnen ein robustes Wirtschaftswachstum. Zoll- und Handelsgespräche könnten zu Volatilität führen, so dass wir selektiver vorgehen werden. Wir bevorzugen Schwellenländeranleihen mit attraktiven Realrenditen. Bei Aktien favorisieren wir Unternehmen, die von der Binnennachfrage profitieren können, und achten auf geografische Diversifizierung: europäische Schwellenländer, Vereinigte Arabische Emirate, Lateinamerika und Indien.
- Anlageklassen-übergreifend: Wir bleiben gegenüber Aktien und anderen risikobehafteten Anlageklassen leicht positiv eingestellt. Wir kombinieren diese Einschätzung mit einer Verstärkung und Beibehaltung dynamischer Absicherungsmaßnahmen, die starke Marktbewegungen berücksichtigen. Im Währungsbereich bleiben wir gegenüber dem US-Dollar vorsichtig, sehen jedoch Potenzial für eine kurzfristige Konsolidierung. Auf der anderen Seite sind wir gegenüber der Duration für US- und EU-Anleihen sowie bei Rohstoffen wie Gold konstruktiv eingestellt.
Von Vincent Mortier, Group CIO Amundi, und Monica Defend, Head of Amundi Investment Institute.
Amundi. Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 22.07.2025. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen. Herausgeber: Amundi Deutschland GmbH, Arnulfstraße 124–126, D-80636 München.