ESG wird der neue Standard

Mittwoch, 06. Oktober 2021

Marktkommentar, Nachhaltigkeit

„ESG wird der neue Standard“


ESG wird der neue Standard

Auf der aktuellen Amundi Investment Konferenz analysierte Thomas Kruse, CIO von Amundi Deutschland, die aktuelle Situation an den Märkten. Ob Inflationssorgen berechtigt sind, welche Rolle eine grüne Regierungsbeteiligung für ESG-Titel hätte und warum Anleger Dekarbonisierung und Digitalisierung im Fokus haben sollten, lesen Sie hier im ausführlichen Interview:

      

 
 
Herr Kruse, die Wiederkehr der Inflation beschäftigt derzeit viele Anleger und auch die Märkte. Glauben Sie, wir werden uns für längere Zeit auf steigende Preise einstellen müssen?

Ausgehend von den US-Konjunkturprogrammen und der damit verbundenen Aussicht, dass die Notenbanken früher aus ihrer expansiven Geldpolitik aussteigen könnten, ist die Inflation wieder ein wichtiges Thema: Angesichts deutlicher Inflationsraten – derzeit rund 5,3% in den USA, bei uns um die 4% – verstehe ich viele der geäußerten Sorgen. Wir glauben allerdings, dass wir es hier in erster Linie mit einem temporären Effekt auf Grund von Basiseffekten und Nachholkäufen zu tun haben. Der US-Arbeitsmarkt ist noch lange nicht auf Vor-Corona-Niveau, eine Lohn-Preis-Spirale daher nicht in Sicht. Auch spielen derzeit Lieferengpässe, etwa bei Halbleitern, eine große Rolle. Diese Engpässe sind allerdings sozusagen Nachwirkungen der Coronakrise, die wieder an Bedeutung verlieren sollten. Im nächsten Jahr dürften die Inflationsraten deshalb wieder rückläufig sein. Für Europa rechnen wir mit unter 2%, in den USA dürften es noch etwa 3,2% sein.

Ein anderes Thema an den Börsen ist, ob Value oder Growth-Titel im derzeitigen Umfeld zu bevorzugen sind. Was meinen Sie?
Wir denken grundsätzlich nicht so sehr in Entweder-Oder-Kategorien. Beide Segmente haben ihre Vor- und Nachteile in bestimmten Börsenphasen. Es stimmt, dass nach einer längeren Zeit der Tech-Rallye Value-Titel ihre Vorzüge ausspielen konnten. Bei den Tech-Titeln spielt allerdings sicher die Zinssensitivität eine Rolle bei den Aussichten. Anleger sollten nicht so sehr in den Rückspiegel schauen, das Thema Value vs. Growth wird gerade eher verdrängt durch die Investitionsnotwendigkeit in Dekarbonisierung und Digitalisierung. Hier sollten die Anleger auf Profiteure achten, mit einem Fokus auf Quality- oder Momentum-Titel.

Wie es im Moment aussieht, könnten Die Grünen an einer nächsten Regierung beteiligt sein. Was bedeutet das für den ESG-Trend?
Die Grünen haben ambitionierte Klimaziele. Deshalb ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie etwa Forderungen nach einem früheren Ausstieg aus der Braunkohle stellen werden. In einem solchen Umfeld ist klar, dass ESG kein bloßes Modethema sein kann, sondern weiter gefördert und gefordert sein wird. ESG dürfte sich zu einem Standard des nachhaltigen Investierens entwickeln.

Wer soll Ihrer Meinung nach letztlich für Klimaschutz sorgen, wir Verbraucher oder eher die Unternehmen?
Wir haben unbestritten heute die nötige Aufmerksamkeit auf dem Thema Nachhaltigkeit. Mit dieser Voraussetzung sind alle Akteure in der Pflicht: Wir Verbraucher mit unserem Konsum, die Unternehmen mit entsprechenden Produkten und Angeboten, aber auch der Staat oder ein Regulator. Denn wir brauchen beispielsweise auch die nötige Infrastruktur für die Energiewende oder Elektromobilität. Da kommt dem Staat als Investor auch eine tragende Rolle zu. Die Transformation braucht Zeit und ein Zusammenspiel aller Kräfte.

Besteht nicht die Gefahr, dass zu hohe Umweltstandards und -regeln sich negativ auf das Wachstum und die Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen hierzulande auswirken könnten?
Klar sind solche Effekte denkbar. Aber Unternehmen wissen auch, dass sie sich in einem Umfeld der Förderung von ESG-Zielen grundsätzlich in Richtung Nachhaltigkeit bewegen sollten. Unternehmen, die hier stehenbleiben, dürften es als erstes daran merken, dass sie höhere Kapitalkosten haben, als die nachhaltigen Mitbewerber. Das könnte die Wettbewerbsfähigkeit und das Geschäftsmodell dann gefährden – so muss man die Mechanik der ESG-Subventionen und Klimapolitik verstehen.  

Manche Beobachter sehen den DAX am Jahresende bei 17.000 Punkten. Halten Sie das für realistisch?
So sehr ich solche Stimmen verstehe und auch gute Gründe dafür sprechen, so steht doch auch einiges dazwischen, was die Notenbanken auf dem Weg dahin zu bewältigen haben. Einerseits hinsichtlich der Inflationsentwicklung, andererseits bezüglich des Arbeitsmarktes. Aber grundsätzlich sind auch wir sehr positiv für die Anlageklasse Aktien als wichtiger Bestandteil eines jeden Portfolios.

 

Rechtliche Hinweise:
Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 30.09.2021. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.