Blasen, Reaktionen der Anleihemärkte und die Rückkehr von Value

Dienstag, 06. April 2021

Marktkommentar

Blasen, Reaktionen der Anleihemärkte und die Rückkehr von Value


Bei Anleihen ist eine große Umwälzung im Gange. Steigende Renditen bei US-Staatsanleihen, eine steiler werdende Renditekurve (im Bereich 2 – 10 Jahre) und zunehmende Inflationserwartungen führen dazu, dass sich die Märkte nach unserer Auffassung fragen, ob wir vor einem „Taper Tantrum“ 2.0 stehen. Dieser Begriff bezeichnet die heftige Reaktion der Anleihemärkte im Mai 2013. Damals gab die US-Notenbank Fed bekannt, die Anleihekäufe zu reduzieren. Die Anleihekurse brachen daraufhin schlagartig ein.

      

Wir denken, dass die Erwartung, dass die Fed präventive Maßnahmen ergreift, um ihr Kaufprogramm in den nächsten 12 Monaten zu beenden, übertrieben war. Die Fed dürfte nach unserer Meinung vorsichtig bleiben und die Inflationsrisiken herunterspielen. Daher könnten wir einen gesunden Anstieg der Renditen sehen, der durch die Erwartung einer Erholung angetrieben wird. Die US-Inflation scheint derzeit einen technischen Aufschwung zu erleben, der von Basiseffekten und Einkaufspreisen angetrieben wird, aber es könnte ein Fehler sein, dies nur als ein kurzfristiges Phänomen zu betrachten.

Sobald diese so genannten Basiseffekte abklingen, werden die Märkte unserer Meinung nach erkennen, dass die Inflation etwas Strukturelleres hat. Die Phase des niedrigen Wachstums, der niedrigen Inflation und der Nullzinsen für immer wird zunehmend in Frage gestellt, und es könnte eine neue Story entstehen: Die Inflation kehrt zurück. Auf der anderen Seite brauchen die Zentralbanken und Regierungen Geld, um angeschlagenen Unternehmen beim Überleben zu helfen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und Projekte zu finanzieren, die soziale Ungleichheiten und Klimaprobleme angehen. Die Inflationsbekämpfung hat offenbar nicht die höchste Priorität, der Fokus liegt auf Vollbeschäftigung.

Da es den Zentralbanken anscheinend nicht möglich ist, Unterstützungsmaßnahmen zurückzunehmen, bewegen wir uns – wie wir meinen – schrittweise auf ein neues System zu, das wir den Weg zurück in die 70er Jahre nennen. Ein Systemwechsel erfolgt oft mit einer Änderung des Mandats der Zentralbanken wie in den späten 70er Jahren. Die Märkte erwarten unserer Meinung nach jedoch, dass die Zentralbanken in der Lage sein werden, die Zinskurve FÜR IMMER zu kontrollieren. Dies ist aus unserer Sicht falsch, da neue Prioritäten die Zentralbanken dazu zwingen können, sich in unbekannte Gewässer zu begeben. Die zweite Phase dieser Sequenz dürfte für die Anleiherenditen weniger günstig sein und zu einer Neugewichtung der Risikoprämien führen. Vor diesem Hintergrund gibt es einige Schlüsselfragen, mit denen sich Anleger nach unserer Auffassung beschäftigen sollten: 

Wie kann man die Aufteilung eines Anleiheportfolios bei steigenden Renditen steuern?

Der Anstieg ist möglicherweise noch nicht vorbei, aber der Weg der Beschleunigung sollte sich verlangsamen. Betrachtet man das Taper Tantrum von 2013, so geschahen mehr als zwei Drittel der Anleihekorrektur in den ersten drei Monaten. Diese Situation scheint sich Anfang 2021 zu wiederholen. Anleihen reagieren im Vorfeld auf die Bestätigung eines Wandels, und diese Bestätigung dürfte im Sommer erfolgen. Man sollte nach unserer Auffassung bei der Duration (durchschnittliche Kapitalbindungsdauer) untergewichtet bleiben und sich die Flexibilität bewahren, bei höheren Zinsen anzupassen. Es dürften sich Gelegenheiten bieten, bei Unternehmensanleihen Wert zu schöpfen, und zwar relativen Wert über Regionen hinweg und über Renditekurven hinweg. Dies spricht für einen flexiblen und uneingeschränkten Ansatz bei Anleiheinvestitionen.

Werden höhere Anleiherenditen eine Blase am Aktienmarkt platzen lassen?

Höhere Renditen bei US-Staatsanleihen sollte man unserer Meinung nach sowohl in Bezug auf Anleihen als auch hinsichtlich Aktien beobachten. Der Abstand zwischen der US-Dividendenrendite und den langfristigen Zinsen ist praktisch null. Es gibt auch ein Element der Irrationalität in der starken Aktienperformance in den ersten Wochen des Jahres 2021. Was wir jetzt sehen, ist vermutlich eine Bereinigung einiger Übertreibungen, aber sicherlich kein Bärenmarkt. Unser Aktienausblick bleibt konstruktiv, aber die Renditen dürften weniger von den Zinsen und zunehmend von der Realwirtschaft bestimmt werden. Für Anleger bleiben Aktien unserer Meinung nach eine wichtige Anlageklasse in einer Erholungsphase, aber es sollten teure Bereiche gemieden werden, die anfällig gegenüber höheren Renditen sind.

Wird die Rückkehr von Value (=wertorientierte Aktien) von Dauer sein?

Die Bewegung bei den Renditen treibt eine Orientierung von Growth (wachstumsorientierte Aktien) in Richtung Value (wertorientierte Aktien) voran. Die erste Etappe dieser Rotation fand im November 2020 statt, ausgelöst durch die Fortschritte bei den Impfstoffen. Jetzt sehen wir eine zweite Etappe, die durch steigende Zinsen angetrieben wird. Wir müssen abwarten, wie sich diese Situation entwickelt, wenn sich die Inflation und die wirtschaftliche Beschleunigung bestätigen. Anleger könnten beispielsweise nach weiteren Gelegenheiten im Value-Bereich suchen, mit einer zyklischen Ausrichtung, um von der mehrjährigen Rotation zu profitieren.

Ist die Emerging Markets-Story angesichts steigender Renditen noch gültig?

Schwellenländer-Anlagen reagieren empfindlich auf den US-Dollar und US-Zinsen, aber die Emerging Markets sind jetzt in Bezug auf Inflation und Ungleichgewichte bei der Leistungsbilanz nach unserer Auffassung in viel besserer Verfassung als 2013. Schwellenländeranleihen könnten eine Schlüsselrolle als Renditequelle in globalen Portfolios spielen. Wir bleiben mittel- bis langfristig konstruktiv für Emerging Markets-Hartwährungs-Anleihen, kurzfristig sind wir jedoch weiterhin defensiv. Das Gleiche gilt für Lokalwährungen, die bei einem mittelfristig pessimistischen Ausblick für den US-Dollar Potenzial für eine bessere Wertentwicklung haben. Kurzfristig sind diese Aussichten weniger günstig, da der US-Dollar nach unserer Auffassung stärker werden könnte. Emerging Markets-Aktien sind – wie wir meinen – die bevorzugte Emerging Markets-Anlage – ein Engagement in Wachstum zu angemessenen Preisen und mit positiven Gewinnaussichten.

Eine höhere Inflation ist schwierig für die traditionelle Risikostreuung

Grund ist, dass die Korrelationen (Gleichlauf) zwischen Aktien und Anleihen zunehmend positiv werden. Man sollte unserer Meinung nach in Erwägung ziehen, Investitionen in Anlagen wie inflationsgebundene Anleihen, Sachwerte (Immobilien und Infrastruktur) und Rohstoffe zu erhöhen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nach unserer Auffassung in einer Welt mit überzogenen absoluten Aktien- und Anleihebewertungen der relative Wert der einzige Wert ist, der den Märkten noch bleibt. Anleger sollten deshalb auf den relativen Wert "innerhalb" und "zwischen" den Anlageklassen achten.

Von Pascal Blanqué, Group CIO Amundi und Vincent Mortier, Deputy Group CIO Amundi

  

Rechtliche Hinweise:

Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 23.03.2021. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.