Von Silber werden wir in Zukunft noch einiges hören

Dienstag, 03. September 2019

Marktkommentar

Von Silber werden wir in Zukunft noch einiges hören


Der Goldpreis steht vor historischen Höchstständen. Warum Anleger ungeachtet des Preisniveaus einen gewissen Anteil von Gold halten und auch Silber berücksichtigen sollten, erläutert Alfred Grusch, Fondsmanager des Amundi Gold Stock.

 

Herr Grusch, die Preise von physischem Gold und die Kurse von Goldminenaktien haben sich in den vergangenen Monaten gut entwickelt: Sollten Anleger jetzt einsteigen oder auf einen größeren Rücksetzer warten?

Alfred Grusch: Sehen wir uns den Goldpreis-Chart in Euro an, fällt auf: Der Preis pro Feinunze schiebt sich seit Mai dieses Jahres an die 1.370er und 1.380er Marke der vergangenen Jahre heran. Das entspricht den historischen Höchstständen aus den Jahren 2010 bis 2012. Wer in der Eurozone und den Schwellenmärkten in den vergangenen Jahren und Monaten Gold hielt, kann sich über eine sehr ordentliche Rendite freuen.

Bis zum heutigen Tag ist es mir in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, Goldpreisprognosen zu vermeiden, weil diese angesichts der international gehorteten Goldbestände nicht zielführend sind. Gold ist einerseits Währung beziehungsweise ein Währungssurrogat und andererseits eine Investmentalternative, die immer dann ins Spiel kommt, wenn sich die Realzinsen an der Nullmarke bewegen oder negativ werden. In dieser Lage befinden wir uns derzeit durch die Geldpolitik der Notenbanken.

Welche Faktoren könnten den Goldpreis derzeit weiter befeuern?

Grusch: Ich bin ein großer Gegner der derzeitigen Notenbankpolitik, weil ich davon überzeugt bin, dass die jeweiligen Führungsgremien falsche Akzente setzen. Ich halte das jetzige Zinsniveau angesichts der bis vor kurzem soliden wirtschaftlichen Entwicklung schlicht und ergreifend für den falschen Weg. Durch die Geldpolitik wird einem großen Teil der Bevölkerung ein Teil ihres Einkommens geraubt. Die Politik enteignet die Bürger zu einem gewissen Grad und wundert sich, warum Wirtschaftswachstum und Inflation schwächeln.

Die Exzesse von Politik und Geldpolitik müssen wir in den nächsten Jahren ausbaden. In diesem Szenario könnte Gold weiter zulegen.

Jüngst hat die US-Notenbank eine überraschende Wende auf dem Zinspfad hingelegt. Wie lange könnte diese neuerliche Abwärtstendenz bei den Zinsen anhalten?

Grusch: Die US-Notenbank ist eine jener Notenbanken, die so getan hat, als wäre der Konjunkturzyklus, in dem wir seit der Finanzkrise stehen, ein normaler Zyklus – was er nicht ist. Die US-Notenbank wird wohl den jetzt entstandenen Spielraum vor den US-Wahlen am 3. November 2020 voll ausschöpfen, weil der politische Druck auf die Fed bis dahin sehr groß werden wird.

Wie sehen Sie die Risiken auf der Unterseite des Goldpreises?

Grusch: Bei dem Porzellan, das im Zuge des Handelskonflikts bisher zerschlagen wurde, kann ich mir nicht vorstellen, dass sich die Lage mit einem Schalterklick wieder aufhellt. Jetzt zu erwarten, dass mit einem Telefonat oder einem Tweet die Situation wieder gelöst wird, ist nicht vorstellbar.

Anleger sollten aber dennoch vorsichtig bleiben bei ihren Goldinvestments?

Grusch: Jedes Instrument und jede Assetklasse, die sich durch exzessive Schwankungsbreiten auszeichnen, etwa Aktieninvestments in Edelmetalle, lassen sich mit regelmäßigem Ansparen gut beherrschen.

In den vergangenen 25 Jahren haben wir mehrmals Situationen erlebt, in denen sich Edelmetallaktien verdoppelt oder teilweise sogar vervielfacht haben, bei gleichzeitigem Rückgang der etablierten Aktienindizes. Wenn Anleger also zu Beginn dieser Goldpreisanstiege mit Edelmetall-Gewichtungen von 3 bis 4 Prozent im Portfolio dabei waren, wiesen viele Anlegerdepots am Ende der Preisanstiege zweistellige prozentuale Gewichtungen mit Minengesellschaften auf, ein Niveau mit dem ich mich nicht mehr wohlfühlen würde.

Wie sieht Ihrer Meinung nach eine ausgewogene Gewichtung für Goldminenaktien im Portfolio aus?

Grusch: Studien von unterschiedlichen Finanzinstitutionen ergaben meist einen „optimalen“ Goldanteil von 5-10 %. Welchen Richtwert man auch immer ansetzt, fest steht auf jeden Fall, dass Gold ein fixer Bestandteil eines Portfolios sein sollte – Gold ist eines der wenigen Assets, das den Begriff Hedge wirklich verdient.

Mein Vorschlag wäre zwei Drittel dieser Goldgewichtung in physischem Gold zu halten, während der verbleibende Anteil mit Goldminenaktien abgedeckt werden sollte.

Wie könnte die Gewichtung innerhalb des Segments Goldminenaktien aussehen?

Grusch: Wenig versierte Anleger sollten keinesfalls Einzelgesellschaften halten, davon würde ich speziell im Goldbereich abraten, weil das unternehmensspezifische Risiko einfach zu groß ist.

Aktiv gemanagte Fonds wie der Amundi Gold Stock mit einem mittlerweile fast 35-jährigen „track record“ verteilen dieses Risiko auf die Schulter vieler Minengesellschaften. Persönlich bin ich ein Anhänger eines Verhältnisses von 60 zu 40 bei Small- und Mid Caps zu Large Caps.

Während liquide Gesellschaften mit relativ moderaten Produktionskosten das Depot in Phasen eines schwächeren Goldpreises relativ stabil halten, sorgen Minengesellschaften aus den Mid- und Small Cap-Bereichen bei steigendem Goldpreis für den nötigen Kursschub des Portfolios.

Diese kleinen und mittleren Unternehmen sind dadurch charakterisiert, dass sie entweder reine Explorationsgesellschaften sind, oder nur ein oder zwei Minenprojekte unterhalten – mit all den Risiken, die damit verbunden sind. Steigt der Goldpreis, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Projektstarts bzw. schnellt ihre Marge nach oben.

Hierbei ist zu beachten: Die zu berücksichtigen Risiken beziehen sich nicht nur auf geologische Unwägbarkeiten, sondern vor allem auch auf geopolitische Risiken. Aufgrund komplexer Einflüsse sind, wie gesagt, Investments in Einzelgesellschaften deshalb äußerst riskant.

Inwieweit ist Silber eine Option für Anleger?

Grusch: Silber wird immer mehr zu einem der interessantesten Industriemetalle. Es steht aktuell ein wenig im Schatten jener Metalle, die meist in einem Atemzug mit e-Mobility und erneuerbaren Energien genannt werden – also Kobalt, Kupfer, Lithium, Nickel, Seltene Erden bzw. Vanadium. Dieses Schattendasein halte ich aber für nicht gerechtfertigt, weil Silber ausgezeichnete physikalische Eigenschaften besitzt.

So arbeiten Industrie oder Forschung intensiv daran, den Anteil von Gold, Palladium oder Platin bei industriellen Anwendungen durch das deutlich günstigere Silber zu ersetzen.

Zudem gewinnt Silber immer mehr im medizinischen Bereich an Bedeutung, wo seine antiseptischen Eigenschaften geschätzt werden. Oder in der Textilindustrie wegen seiner hygienischen Eigenschaften. Aber auch die Bereiche Erneuerbare Energien, Katalysatoren, Halb- und Supraleiter könnten die Nachfrage nach Silber deutlich beleben.

Ich gehe davon aus, dass Silber in der Lage ist – was die Industrienachfrage betrifft – doppelt so schnell zu wachsen als das globale Bruttosozialprodukt (BIP). Wächst das globale BIP jährlich um 3 Prozent, dürfte die Industrienachfrage für Silber schätzungsweise um 4-6 Prozent zulegen. Silber ist meines Erachtens ein hochinteressantes Metall, von dem wir in Zukunft noch einiges hören werden.

Geringe internationale Lagerbestände, keine rasche Angebotsausweitung bei einem deutlichen Preisanstieg und eine nur unterdurchschnittliche Bedeutung des Recycling-Bereichs machen Silber nur noch attraktiver.

Das Interview wurde von DAS INVESTMENT geführt.

Rechtliche Hinweise: Soweit nicht anders angegeben, beruhen die hier enthaltenen Ansichten auf Recherchen, Berechnungen und Informationen von Amundi Asset Management und haben den Stand 27.08.2019. Diese Ansichten können sich jederzeit ändern, abhängig von wirtschaftlichen und anderen Rahmenbedingungen. Es gibt keine Gewähr, dass sich Länder, Märkte oder Branchen wie erwartet entwickeln werden. Diese Veröffentlichung ist kein Verkaufsprospekt und stellt kein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Anteilen in Ländern dar, in denen ein solches Angebot nicht rechtmäßig wäre. Außerdem stellt diese Veröffentlichung kein solches Angebot an Personen dar, an die es nach der jeweils anwendbaren Gesetzgebung nicht abgegeben werden darf. Amundi Deutschland GmbH ist ein Unternehmen der Amundi Gruppe.