„Flexibilität und Selektion bleiben wichtig“

Mittwoch, 25. Januar 2023

Marktkommentar

„Flexibilität und Selektion bleiben wichtig“


Der fulminante Start der Aktienmärkte ins neue Jahr könnte sich schon bald etwas relativieren, betont Thomas Kruse, CIO von Amundi Deutschland. Denn immer noch belasten Inflation, restriktive Zinspolitik, Energiekrise und Ukraine-Konflikt viele Unternehmen. Doch im zweiten Halbjahr könnten sich durchaus attraktive Investmentchancen bieten, erläutert der Kapitalmarktexperte im ausführlichen Interview.

 

 

Herr Kruse, die Aktienmärkte haben seit Jahresbeginn mit steigenden Kursen überrascht. Wie ist das angesichts der vielfältigen Herausforderungen, etwa der anhaltenden Inflation, der Energiekrise und des Ukrainekonflikts, eigentlich zu erklären?

Um das besser zu verstehen, sollten wir nochmal auf das Jahr 2022 zurückschauen: Da haben wir mit weiter steigenden Inflationsraten eine immer restriktivere Notenbankpolitik mit höheren Zinsen gesehen. Deswegen war die Stimmung an den Märkten auch recht negativ. Zum Jahreswechsel stellte sich so langsam heraus, dass die Inflationsraten deutlicher zurückgehen, als man das ursprünglich erwartet hatte. Das gibt nun wiederum Raum für die Hoffnung, dass die Notenbanken die Zinsen nicht so stark anheben werden, wie befürchtet. Entsprechend reagieren die Märkte, relativ gesehen, positiv. Die sogenannte „Wiedereröffnung“ Chinas nach dem restriktiven Coronakurs der Staatsführung hat dann für zusätzlichen Rückenwind gesorgt, weil gerade exportorientierte Länder – wie etwa die europäischen – nicht mehr unbedingt in eine Rezession abgleiten werden.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der wieder erstarkte Euro?

Der US-Dollar gilt ja gemeinhin als Krisenwährung, was ihm im letzten Jahr großen Zulauf und damit einen festen Wechselkurs beschert hatte. Nun entspannt sich die Lage etwas. Deshalb geht der Dollar gegen den Euro etwas zurück. Auch haben wir seit Jahresbeginn gesehen, dass internationale Investoren wieder mehr in europäische Unternehmen investieren, was den Euro zusätzlich stärkt. Wir gehen aber davon aus, dass dies eine leichte Übertreibung ist, die ab Februar von den Notenbanken wieder eingefangen werden könnte.

Es bleiben ja negative Faktoren wie die hohe Inflation, wahrscheinlich steigende Zinsen sowie die anhaltende Aggression Russlands. Sind das nicht signifikante Herausforderungen für die Finanzmärkte?

In jedem Fall. Wir haben die Krisen des Jahres 2022 ja mitgenommen ins neue Jahr. Der aktuelle Aufwind an den Märkten ist wie geschildert eher vom „Sentiment“ getrieben, also stimmungsbedingt. Doch die Inflation bleibt auch 2023 weiterhin hoch. Wir liegen in den USA bei einer Gesamtinflation von 6,5% und auch die Kerninflation – ohne die Energiekosten – ist mit 5,7% aktuell recht hoch. Deshalb rechnen wir auch damit, dass die US-Notenbank Anfang Februar bei ihrer restriktiven Haltung bleiben dürfte. Das würde die Aktienmärkte etwas einbremsen.

Wie sollten nun Anlegerinnen und Anleger auf dieses Spannungsfeld reagieren?

Aufmerksamkeit und Flexibilität sind aus unserer Sicht die Gebote der Stunde. Denn man sollte gut beobachten, wie sich die Zinspolitik zeitverzögert auf die Konjunktur auswirkt und sein Portfolio entsprechend anpassen. Das könnte bedeuten, sich im ersten Halbjahr noch etwas vorsichtiger zu positionieren, mit insgesamt weniger Aktien bei gleichzeitigem Fokus auf US-Titel sowie Staatsanleihen. Im zweiten Halbjahr könnte eine Erhöhung der Aktienquote zum Beispiel mit Mid-Caps – also mittelgroßen Unternehmen – und zyklischen Aktien durchaus Sinn ergeben. Abhängig vom Kriegsverlauf in der Ukraine sollten dann auch verstärkt europäische Aktien eine gute Wahl sein. Hierzu könnte man also das Portfolio im Zeitverlauf entsprechend aktiv umschichten.

Sollte man angesichts höherer Zinsen auch auf entsprechende Anleihen setzen oder eher auf dividendenstarke Titel?

Wir halten beides für gute Möglichkeiten, Erträge zu erzielen. Allerdings würden wir das zeitlich staffeln und aktuell eher in länger laufende Staatsanleihen gehen, um dann sukzessive auch auf höhere Dividendenrenditen zu setzen. Diese lagen zuletzt ja teils wieder im Bereich von 5 bis 6 %. Wer also von Zinsen sowie Dividenden profitieren möchte, der sollte auch an sogenannte Income-Fonds denken, die entsprechende Schwerpunkte setzen.

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Rechtliche Hinweise: Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 25.01.2023. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.